„Wenigstens funktioniert es“, antwortete ein Vater kürzlich auf meine Kritik am Einsatz von MS365 im Online-Unterricht. Es irritierte mich sehr, dass eine solche Aussage von einem „ParentsForFuture“-Anhänger kam. Offensichtlich darf man nicht erwarten, dass Eltern, die sich beim Thema Klimawandel zum Wohle ihrer Kinder engagieren, auch gleichzeitig die digitale Abhängigkeit ihrer Kinder bewusst ist.

Allerdings frage ich mich, wie eine solche Aussage zustande kommt. Hatte derjenige Frustrationserlebnisse mit nicht-funktionierender Software? Oder gab er nur fremde Meinungen unreflektiert weiter? Oder hatte er schlichtweg keine Lust auf Diskussionen? Denn, dass es gute und vor allem gut funktionierende Alternativen zu MS365 insbesondere für Schulen gibt, sollte sich doch mittlerweile herumgesprochen haben.

Ein weiteres Mal stutzte ich, als eine Verwaltungsmitarbeiterin stolz erwähnte, dass ihr Referat demnächst „endlich mit Office365“ arbeiten würde. Sie sagte das tatsächlich mit einer Art Stolz in der Stimme, so wie manche sagen „Ich fahre Daimler“ oder „Wir haben natürlich einen Weber-Grill“.

Endgültig verwirrt war ich, als ich in einem FAZ-Artikel las, dass sich ein Schüler mit großer Leidenschaft für die Nutzung von Microsoft einsetzt. Zu diesem Zweck startete er sogar eine Petition „Gegen das Verbot von Microsoftprodukten an Schulen in Baden-Württemberg“, die bisher 7000 Unterschriften erhielt. Tatsächlich gibt es faktisch kein Verbot gegen Produkte von Microsoft in Baden-Württembergs Schulen, sondern nur eine Empfehlung des Landesdatenschutzbeauftragten.

Nichtsdestotrotz scheint es so, als ob Microsoft es nicht nur in die digitalen Arbeitsflächen geschafft hätte, sondern es sich gleichzeitig invasiv in Köpfen bequem macht: Brainwashed by Microsoft. So ähnlich wie „Auto = 4 Räder“ scheint in diesen Köpfen die Gleichung „Microsoft = digitale eierlegende Wollmilchsau“ vorzuherrschen. Ist die Wollmilchsau erst einmal in den Köpfen drin, haben andere es schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden. Dann wird als negativ bewertet, dass z.B. das Open Source Texterstellungstool nicht die gleichen Funktionen an den gleichen Stellen hat wie das MS-Office-Pendant. D.h. Microsoft-Produkte werden zum Quasi-Standard deklariert, weil omnipräsent. Alle Alternativen werden an diesem „Standard“ gemessen. Umgekehrt orientieren sich bestehende Alternativen in ihren Funktionalitäten an Microsoft, und bestätigen so den gefühlten Standard. In diesem Szenario kann nur einer gewinnen, Vielfalt wird unmöglich.

Dieses Phänomen könnte man nun erst einmal so hinnehmen. In einer Demokratie muss es möglich sein, mehrere Perspektiven und Handlungsoptionen zu einem Thema zu haben. Problematisch wird es, wenn Diskurse nicht stattfinden oder Komplexität verkürzt und vereinfacht betrachtet wird. Im obigen Fall besteht die Verkürzung darin, dass der Diskurs sich viel zu oft nur um Funktionalitäten, Oberflächen oder eigene gewohnte Abläufe dreht. Verliert man sich jedoch in dieser Diskussion, bleibt ein blinder Fleck, der die grundsätzliche Abhängigkeit ignoriert, negiert oder kleinredet.

Dieser blinde Fleck führt dazu, dass z.B. Datenschutzbeauftragte in einigen Bundesländern nur Teile von MS365 als nicht datenschutzkonform ablehnen und nicht vollständig von MS-Produkten abraten. Für öffentliche Institutionen in Demokratien ist vollständige Souveränität jedoch unverzichtbar, um den Schutz und die Freiheit von Bürger:innen zu gewährleisten.

Also, sollten Sie bei sich oder bei anderen Anzeichen von „brainwashed by Microsoft“ bemerken, nehmen Sie das bitte nicht auf die leichte Schulter. Es könnte sich um erste Hinweise auf eine bestehende Abhängigkeit handeln. In diesem Fall bleiben Sie bitte ruhig und fragen Sie umgehend bei einem Open Source Software-Hersteller oder -Dienstleister nach Hilfe. Alles wird gut. Hoffentlich.

Zum Weiterlesen:
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/klassenzimmer/verbot-von-microsoft-office-programmen-schueler-starten-petition-17398724.html