Vor ein paar Tagen titelte heise.de „Das Internet ist kaputt“ und trieb damit vermutlich die Klickrate pro Beitrag in nicht unerhebliche Höhen. Was war passiert? Beim Clouddienstanbieter Fastly triggerte ein Fehler in einer „Servicekonfiguration“ dessen Netzwerk an Serverfarmen weltweit und führte kaskadenartig zu Ausfällen. Rund eine Stunde lang waren weltweit Websites, die die Dienste von Fastly nutzen, nicht erreichbar.
„Was kümmert es mich, wenn es bei irgendeinem Cloudanbieter Ausfälle gibt?“, fragen Sie sich vielleicht und womöglich sagt Ihnen das Unternehmen Fastly auch gar nichts. Mir ging es jedenfalls so, also recherchierte ich.
„Cloud Storage undermines ‚fail-safe‘ design of the internet“, meldete die Irish Times und der Guardian fragte: What caused the internet outage that brought down Amazon, Reddit and Gov.uk? Ok, dies hörte sich nach etwas mehr als „irgendein Clouddienstleister“ an. Tatsächlich gehört Fastly zum Oligopol einiger weniger US-Cloudanbieter, wie u.a. AWS (ehemals Amazon Web Services) oder Microsoft Azure, und verwaltet ca. 10% des weltweiten Website-Traffics. Zu Fastlys Kunden zählen hauptsächlich Konzerne, nicht nur, wie oben erwähnt Amazon, Reddit und die britische Regierung, sondern auch Twitter, PayPal, Twitch, Slack, Spotify, Buzzfeed und Pinterest. Presseorgane wie die New York Times, Le Monde, Financial Times, Independent oder The Guardian oder auch das Videoportal Vimeo nutzen ebenfalls die Serverfarmen von Fastly.
Cloud-Speicher untergräbt “ausfallsicheres” Design des Internets
Eigentlich wurde das Internet so konzipiert, dass es vollständig ausfallfrei funktioniert. So lautet auch die Kritik der Irish Times. Der Trend, soviel wie möglich in „die Cloud“ auszulagern, sorgte jedoch dafür, dass Geschwindigkeit an Relevanz gewann. Dieser wachsende Bedarf an Geschwindigkeit im Internet hat zu einer starken Konzentration der Internet-Infrastruktur in den Händen einiger weniger Unternehmen geführt. Der Ausfall bei Fastly verdeutlicht nicht nur die „Macht der Wenigen“, sondern zeigt anschaulich auch das erhöhte Risiko, das mit einer solchen Konzentration einhergeht.
„Die Cloud“ – auch ein Marketingbegriff
Um an dieser Stelle Begriffe klar zu definieren: Wenn wir davon reden, Daten in „die Cloud“ auszulagern, ist damit nicht ein einziger Ort gemeint – DIE Cloud existiert nicht und der metaphorische Begriff „Cloud“ verschleiert ein wenig, dass es sich dabei immer um physische Geräte (Server) an irgendeinem geografischen Standort auf diesem Planeten handelt. Der Begriff „Cloud“ suggeriert Nicht-Techniker:innen jedoch eher, dass es um etwas Diffuses oder Nicht-Materie geht. D.h. eine Cloud ist weder ein flauschiges Einhorn noch ein meditativer weicher Wattebausch. Daten auf anderen Servern zu speichern, auf Servern, die nicht in meinem Haushalt, in meinem Unternehmen oder meiner Organisation physisch vorhanden sind, bedeutet ausnahmslos, dass die Kontrolle über diese Daten abgegeben wird.
CDN – Content Delivery Network
Ich ärgere mich grundsätzlich, wenn das Internet nicht schnell genug auf meine Anfragen reagiert. Ich erwarte, dass sich Webseiten nicht „aufbauen“, sondern mir quasi in Echtzeit zur Verfügung stehen. Mit dem Klick auf Enter-Taste möchte ich Ergebnisse sehen. Dass meine Anfrage dafür mitunter einmal um die Welt reisen muss oder dass die aufgerufene Website evtl. Myriaden an Inhalten samt Bildern und Videos enthält, interessiert mich eigentlich nicht. Website-Betreiber wissen in aller Regel um meine Ungeduld und bekommen Hilfe von den o.g. Cloud-Hostern. Dienstleister wie Fastly bieten sogenannte CDNs an – Content Delivery Network Services.
Wie oben schon beschrieben geht es dabei um Geschwindigkeit oder neudeutsch Performance. Eine Website-Anfrage von Deutschland nach Großbritannien dauert länger als eine Anfrage innerhalb von Deutschland. Auch wenn der Unterschied nur Millisekunden beträgt, die Verzögerung ist da. Ein CDN-Dienstleister betreibt in der Regel Datenzentren auf der ganzen Welt und hält Kopien beliebter Inhalte an geografischen Zentren vor, um die Inhalte in jeder Region auszuliefern. Diese Kopien sind dann „näher“ am Endkunden als die eigentliche Website. Das Erlebnis für Benutzer kann bis zu zehnmal schneller sein, wenn eine Kopie der Seite (oder Elemente ihres Inhalts) z.B. in Australien vorgehalten und bei Bedarf dort ausgeliefert werden kann. Um also eine schnelle Bereitstellung von Inhalten für alle Menschen auf der ganzen Welt zu gewährleisten, arbeiten CDNs in der Regel auf globaler Ebene.
Probleme für Unternehmen
Für Unternehmen ist ein Ausfall eines Clouddienstes auf mehreren Ebenen ein Risiko, denn der Ausfall verursacht Kosten:
Am offensichtlichsten ist es, wenn Ihre Website direkt betroffen ist – dann ist evtl. der Webshop nicht verfügbar, was unmittelbaren Umsatzverlust bedeutet.
Indirekter sind die Kosten, wenn Ihre Mitarbeiter:innen auf die Internet-Nutzung angewiesen sind, z.B.:
- Social Media Posts können nicht wie geplant veröffentlicht werden – ggfs. reduziert sich die Anzahl der Leser:innen und damit die Anzahl der potentiellen Kunden
- Überweisungen erfolgen verspätet, d.h. Skontoabzug ist ggfs. nicht mehr möglich
- Entscheidungsgrundlagen für wichtige Meetings können nicht vorbereitet werden, weil relevante Informationen nicht rechtzeitig verfügbar sind
- Die Arbeit der Mitarbeiter:innen wird generell durch einen Ausfall behindert, d.h. Arbeitsprozesse verzögern sich und Deadlines sind gefährdet
- Sie haben auf verschiedenen Websites Werbebanner und -anzeigen geschaltet – mit dem temporären Ausfall der Seiten verfällt auch Ihre Möglichkeit, in dieser Zeit Kunden zu gewinnen.
Die Medienanalyse-Firma Kantarmedia schätzte, dass beim Fastly-Ausfall von ca. einer Stunde weltweit rund 29 Mio. Dollar alleine an Werbeeinnahmen (Quelle: arstechnica.com) verloren gingen.
Es ist grundsätzlich gut, dass es Clouddienste gibt, denn im besten Fall vereinfachen sie Prozesse und machen sie schneller. Sie sparen durch eine effiziente Performance ggfs. auch Ressourcen – zumindest besteht das Potential. Dennoch gilt auch in diesem Bereich: Wenige Anbieter erhöhen Abhängigkeiten, Konzentration von Macht fördert Unfreiheit und Ungleichheit. Unfreiheit und Ungleichheit sind Feinde demokratischer Gesellschaften.
In diesem Sinne: Es gibt immer eine Alternative zu den bestehenden Oligopolen. Dezentralisierung und Modularität sind die Begriffe der Stunde – gilt auch für Wolken.
Zum Weiterlesen:
https://t3n.de/news/software-bug-fastly-twitch-reddit-offline-1383710/
https://www.heise.de/news/Das-Internet-ist-kaputt-zahlreiche-Webseiten-down-6065217.html