In den Verteilern der OSB Alliance verfolge ich diese Diskussion schon ein paar Tage. Nun habe ich auch den Artikel von heise dazu gelesen und mir geht eigentlich nur ein Gedanke im Kopf herum: Bitte, was?!?

Die Bundescloud ist derzeit mit Nextcloud realisiert. Im Artikel steht folgendes Statement des ITZBund zum geplanten Proof-of-Concept mit Microsoft als Erweiterung dieses Stacks: „So werde […] [die] Digitale Souveränität im Sinne einer echten Wahlmöglichkeit gefördert und die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern reduziert”. Dieser Satz kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein? In einem der letzten verbleibenden Open Source Projekte des Bundes soll Microsoft als digital souveräne Wahlalternative zu Open Source eingeführt werden?!?

Das mag digital sein, ist aber nicht souverän

Aber ich versuche mal, meine diesbezügliche Polemik beiseite zu lassen und gehe davon aus, dass Nextcloud allein nicht alles bietet, was man sich von der Bundescloud erhofft. Das ist kein Makel an Nextcloud. Es liegt einfach daran, dass diese, wie auch alle anderen Open Source Lösungen, ein Experte in ihrem Bereich – hier: Sync & Share – ist. Etwaige Unzulänglichkeiten der Lösungen könnten durch Investments des Bundes in Weiterentwicklungen, das Hinzufügen und Integrieren anderer Anbieter-Lösungen (siehe z.B. https://kopano.com/de/featured-de/kopano-kraph-perfekt-verbunden-und-digital-souveraen/ ) mit anderer Expertise oder den Austausch der Lösung durch einen anderen Anbieter behoben werden. Alle drei Wege zur Verfügung zu haben, genau das macht digitale Souveränität aus.

Das Hinzufügen oder auch die grundlegende Nutzung von Closed Source Applikationen in Bereichen, die digitale Souveränität erfordern, kann keine Lösung sein. Damit gibt man die digitale Souveränität mindestens in Teilbereichen auf. Nicht selten stellt sich am Ende sogar noch heraus, dass mit solchen Vergaben eher einem Markengedanken als dem lösungsorientierten Arbeiten an einer definierten Herausforderung gefolgt wird.

Unser Ansatz zur Lösung solcher Herausforderungen

Erst vor ein paar Tagen hatten meine Kollegin Anke und ich ein Gespräch mit einem potentiellen neuen Partner, der nach einem digital souverän betreibbaren und allumfassenden Stack für die Bürokommunikation und Zusammenarbeit sucht. Dessen Wunsch sei es, alles aus einer Hand zu bekommen – so sagte man uns. Ich habe klipp und klar gesagt, dass wir das nicht anbieten und dass es dies aus der Hand eines einzelnen Herstellers nicht gibt. Wir sind einer der Experten im E-Mail- und Kalender-Umfeld. Firmen wie ownCloud, Nextcloud oder Seafile sind die Experten im Sync & Share Bereich. ONLYOFFICE, Collabora oder allotropia bieten Lösungen für die Zusammenarbeit in Dokumenten an. Aus mindestens diesen drei Bereichen muss ein Lösungsanbieter gefunden werden. Im Umkehrschluss kann man dann die Anbieter eines Bereiches austauschen, ohne die anderen auch tauschen zu müssen. Damit ist man von einem Hersteller nur im Bereich seiner Expertise abhängig und hat Alternativen.

Es gibt meiner Meinung nach genau zwei mögliche Modelle, um eine solche Aufgabe zu lösen: Entweder man versetzt sich selbst dazu in die Lage, ein Projekt mit mindestens drei verschiedenen Herstellern zu managen oder man beauftragt einen Dienstleister als Vierten im Bunde, der diese Aufgabe übernimmt.

Schlusswort

Liebes ITZBund: Herstellerunabhängigkeit und digitale Souveränität kann man nicht bei einem einzigen Hersteller, der als ein Weltmarktführer einen kompletten und allumfassenden Stack anbietet, kaufen. Ich stehe, glaube ich, mit meiner Meinung nicht allein da, dass Herstellerunabhängigkeit die Austauschbarkeit einzelner Komponenten durch jeweils einen anderen Anbieter bedingen muss. Dorthin zu kommen ist eine Investition. Aber diese ist nachhaltig.