Die “digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung” in Deutschland hatte das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) bereits 2019 als eines der Hauptthemen der kommenden Jahre genannt. Stattdessen stiegen Kosten und Abhängigkeit offensichtlich weiter.
IT-Kostenexplosion im Öffentlichen Sektor
Was es bedeutet, wenn der Öffentliche Sektor, der stark hierarchisch strukturiert und organisiert ist, bei seiner IT-Infrastruktur auf die Abhängigkeit proprietärer Software-Lösungen wie die von Microsoft setzt, zeigt sich aktuell an einer Verdreifachung der jährlichen Kosten im Vergleich zu 2015.
„…Doch allein im Haushaltsjahr 2020 gaben die Bundesministerien 178,5 Millionen Euro für Softwarelizenzen, Cloud- und Serverdienste des Konzerns aus.“ (Quelle: https://www.golem.de/news/outlook-exchange-und-windows-microsoft-kostete-bundesbehoerden-178-millionen-euro-2102-153964.html)
2015 bezifferte die Regierung die Überweisungen an Microsoft noch auf 43,5 Millionen Euro, für 2019 waren ursprünglich gerade einmal 57,2 Millionen veranschlagt. (https://www.spiegel.de/netzwelt/microsoft-bundesministerien-kauften-software-fuer-178-millionen-euro-a-00000000-0002-0001-0000-000175196794)
Strukturelle Hemmnisse bei der Migration
Es ist grundsätzlich eine gute Idee, mehr Geld in die IT-Infrastruktur zu investieren, aber auch nur, wenn am Ende ein Mehrwert – und digitale Souveränität – für alle herauskommt. Wie ist es möglich, dass hier die IT-Kosten derart aus dem Ruder laufen? Ist die Marktmacht von Microsoft so groß, dass beliebig auch die Preise angehoben werden können? Jein. In diesem Fall tragen die Strukturen der Ministerien mit ihren langsamen, ineffizienten Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen selbst einen Großteil zum finanziellen Fiasko bei – fehlende ressortübergreifende Abstimmung und Silodenken und -handeln in Reinform.
Seit Jahren ist bekannt, dass Microsoft den Support für Windows 7 einstellen will – unzählige Unternehmen haben daher längst auf Windows 10 umgestellt. Nicht so die Bundesministerien. Seit dem 14. Januar 2021 sind alle Windows 7 Updates eingestellt, doch immer noch läuft auf rund 33.000 Rechnern die veralte Software (lt. Aussage des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion).
Auch in den vielen Landesverwaltungen ist die Umstellung noch lange nicht abgeschlossen. Für Berlin z.B. sind rund 20.000 von insgesamt 85.000 Verwaltungsrechnern noch nicht migriert. Auch viele Landesverwaltungen nutzen noch Windows 7.
„Die Behörden und Ressorts seien für eine ‚zeitgerechte‘ Umstellung auf Windows 10 selbst verantwortlich“, erklärte Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär der CDU. (Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/windows-7-bundesregierung-zahlt-fast-eine-million-euro-fuer-veraltetes-microsoft-betriebssystem/25452158.html?ticket=ST-4402651-ksouFvjDIzIPYEwt51PB-ap2).
Zwang als Kernfaktor in der Abhängigkeit
Man mag sich an dieser Stelle zu Recht fragen, wie denn konkret die Handlungsanweisungen der Regierung aussehen, um die Ministerien digital souverän zu machen. Wie soll es weitergehen? Denn, dass eine Umstellung auf Windows 10 sicherlich nicht souverän macht, sondern im Gegenteil, weiterhin Abhängigkeit aufrechterhalten wird, sollte doch wohl klar sein (Zum Querlesen: https://blog.gestreift.net/2017/04/fatale-gefuehlte-abhaengigkeit-von-ms-outlook/).
An dieser Stelle wird auch besonders klar, worin die Abhängigkeit besteht: Die Anbieterin, hier die Firma Microsoft, liefert ihren Kunden keine Produktsicherheit mehr in der bestehenden Version der Software. Dies ist nicht negativ zu werten, sondern erst einmal Fakt und gängige unternehmerische Praxis – auch in anderen Bereichen ersetzen Hersteller Produktlinien. Das Windows-Update traf seine Kunden auch nicht unvermittelt, sondern wurde lange im Voraus angekündigt, so dass Kunden sich rechtzeitig auf eine Migration einstellen konnten und in die Umsetzungsplanung gehen konnten. Nichtsdestotrotz bleibt es bei der Grundabhängigkeit von einer proprietären Software: Ohne kostenpflichtige Updates, Sicherheitspatches, etc. (Kosten verursacht hier u.a. das „MS-Extended Security Update“) ist die Kernfunktionalität der Kunden gestört, d.h. will man weiterhin operativ sicher handlungsfähig bleiben, ist man zur Migration gezwungen (auch zur Migration aller verbundenen Fachanwendungen und Drittsoftware) – vorausgesetzt man scheut den nicht zu unterschätzenden Aufwand, zu einem alternativen Anbieter zu wechseln. Wäre Windows 7 eine Open-Source-Lösung, könnten Kunden abwägen, ob migriert werden soll oder sich selbst um die weitere Pflege kümmert.
Digitale Souveränität mit flexiblen Lösungen
Dabei ließe sich die Abhängigkeit auch ohne kompletten Wechsel reduzieren. Die Voraussetzung ist jedoch, dass nicht vom Client, d.h. vom einzelnen PC aus gedacht wird, sondern in modularen Komponenten für flexible Bedarfe, wie Kopano es z.B. vorschlägt:
- Open Source Server/Cloud (z.B. Kopano, ownCloud, Seafile, Nextcloud, …)
- digital souveräne Implementation von Standardschnittstellen am Markt (z.B. z-push, Kopano Kraph)
Fazit: Um im Öffentlichen Sektor nachhaltig digital souverän zu werden, gibt es zwei große Stellschrauben: Umstellung auf Sowohl-als-auch-Lösungen (MS-Lösung plus Open-Source-Lösungen) und den Umbau der Organisationsstruktur in Richtung agiler Arbeitsprozesse – so gelingt eine wirklich intelligente und souveräne Digitalisierung.