Im ersten Teil dieses Blogposts habe ich versucht zu beschreiben, wie tief das Medium E-Mail in unserer täglichen digitalen Kommunikation steckt und welche Herausforderungen dies mit sich bringen kann. Im zweiten Teil geht es eher darum, oberflächlich und für Nicht-Techniker deutlich zu machen wie stark Daten vernetzt, verästelt, fragmentiert und verbunden sind und was das für die Zukunft der E-Mail bedeuten kann.
Wer interessiert sich schon für Hintergrundprozesse?
Sicherlich ist Ihnen bewusst, dass während der Nutzung einer Software unglaublich viele Prozesse im Hintergrund stattfinden, die Sie weder sehen noch bemerken. Da wo Sie es bewusst wahrnehmen, ist meistens dann, wenn das Betriebssystem sagt, dass ein Update durchgeführt werden muss und dass Sie dafür bitte den Computer herunterfahren sollen. Oder wenn das Einstellungsicon auf dem Handy einen roten Punkt zeigt, der ebenfalls ein Update ankündigt. Als technischer Laie interessieren mich die Hintergrundprozesse, ehrlich gesagt, auch nicht wirklich – ich bin User und will in meiner eigentlichen Arbeit gar nicht behelligt werden. Wenn ich ganz neugierig bin und wissen möchte, warum gerade der Lüfter am Notebook anspringt, schaue ich in den Task-Manager, um zu sehen, welches Programm gerade am meisten Ressourcen verbraucht.
Ein unüberschaubares Netzwerk von Verbindungen
Ich vermute, dass es vielen Endnutzer:innen ganz genauso geht, insbesondere im beruflichen Kontext. Die CRM-Software kommt von einem Drittanbieter, der eine offene Schnittstelle zur Adressverwaltung unserer Groupware nutzt? Na und? Hauptsache, es öffnet sich ein Fenster mit Kundendetails, wenn ich auf den Kundennamen klicke. Das Textdokument als pdf speichern? Routine. Die pdf als E-Mail-Anhang an externe Kollegen versenden, die andere E-Mail-Programme verwenden? Eine permanente Inventur im ERP-Programm pflegen oder Aufträge Just-in-Sequence automatisiert abarbeiten? Kontaktdaten und Termine über verschiedene Geräte synchronisieren? Rechnungen im Buchhaltungsprogramm erstellen und sie (automatisiert oder nicht) per E-Mail an Kunden versenden? Die Liste an Verbindungen zwischen den einzelnen Programmen ließe sich endlos ergänzen und noch weiter verästeln. Und grundsätzlich ist es ja positiv zu sehen, wenn verschiedene Software miteinander kommunizieren kann und mir den Arbeitsalltag erleichtert – genau genommen ist dies ein Grundpfeiler der digitalen Souveränität. Kritisch wird es, wenn die Verbindungen und Integrationen im Kontext digitaler Abhängigkeit betrachtet werden.
Habe ich eine Wahl? Nein.
Ein Beispiel: SaaS-Lösungen erfreuen sich steigender Beliebtheit, d.h. die gewählte Software muss nicht mehr lokal installiert werden, sondern steht als Service per Webapplikation zur Verfügung. Das spart IT-Ressourcen auf dem eigenen Server und es ist (üblicherweise) gewährleistet, dass die Serviceleistung auch regelmäßige Updates beinhaltet. Salesforce z.B. ist eines der führenden SaaS-Unternehmen weltweit. Die CRM-Lösung von Salesforce hat eine Microsoft Outlook Integration. So weit so praktisch. Man könnte also annehmen, dass die Datenspeicherung ausschließlich zwischen diesen beiden Firmen stattfindet. Dem ist nicht so, wie der Salesforce-Website zu entnehmen ist: „…einige Daten werden auf Amazon Web Service-Servern von Salesforce gespeichert.“ Als Kunde muss ich diese Vorgehensweise hinnehmen, d.h. ich kann nicht wählen, ob Daten bei Amazon liegen oder nicht.
Wechselseitige Abhängigkeit und einseitige Marktmacht
Keine gute Nachricht für Entscheider:innen in Unternehmen, die sich mit digitaler Souveränität beschäftigen. Es scheint wie der Kopf einer Hydra zu sein: Schlage ich einen Kopf ab, wächst ein anderer nach. Fange ich an einer Stelle an und ersetze die proprietäre Software-Lösung durch eine Open-Source-Lösung, muss berücksichtigt werden, dass die entsprechende Software eine Vielzahl an Verbindungen zu anderen Clients hat, die umgekehrt abhängig von der „Hauptsoftware“ sind. Drittanbieter im IT-Umfeld können ähnlich verstanden werden wie Zulieferer in der Automobilbranche – eine wechselseitige Abhängigkeit, wobei die Marktmacht auf der Seite der Automobilbranche liegt. Für Deutschland sieht die Rechnung so aus: Microsoft hat mit Windows einen Marktanteil von 78,8% (Quelle: Statista; Stand 2021) hat und Microsoft Office ist mit 85% (Quelle: Statista; Stand 2020) die meistgenutzte Bürosoftware. Die Frage, wer im IT-Sektor hierzulande die Marktmacht hat, scheint sich damit zu erübrigen. Weltweit steigt außerdem die Nutzung von Cloud-Services. Marktführer ist hier Amazon mit ca. 30% Marktanteil; die AWS-Cloud macht mittlerweile mehr als 50% des operativen Gewinns des Unternehmens aus.
Infrastruktur und Daten trennen
Um nicht zu schwarz zu malen – es gäbe Alternativen, doch die erfordern ein Umdenken der bisherigen Strukturen. Kopano hat hierzu eine Vision: Nimmt man die aktuelle Situation und erkennt an, dass die E-Mail das Leitkommunikationsmedium in und außerhalb von Unternehmen für die nächsten Jahre bleiben wird, dann bietet sich auch die Überlegung an, wie die Infrastruktur von der Datenhaltung zu trennen sein könnte. Einen Baustein, wie dies erreicht werden könnte, hat Kopano bereits entwickelt: Kopano Kraph – eine RestAPI, die mit der RestAPI von Microsoft Graph (Zugang für Drittsoftware zu MS 365). Diese API kann mit dem OpenID Connect Service (Kopano Konnect) verbunden werden und erlaubt den Zugriff auf die eigenen Daten nur durch Änderung des Zugangspunktes.
Die E-Mail der Zukunft wird sich entwickeln und anders aussehen, als wir sie im Moment kennen. Sinnvoll ist es, sie jetzt und heute als digitales Leitmedium und Identitätsfaktor anzuerkennen und dementsprechend souverän und flexibel zu gestalten – und natürlich als Open Source Lösung.